Goggo und Jenny

Anton Jakob Weiß wurde von seinen Enkelkindern Goggo genannt. Es könnte eine Koseform von Jakob sein. Seinen Enkelkindern hat er auch erzählt, wie ihm diese rothaarige Jüdin bei einer Lehrerversammlung ins Auge gestochen ist, und er sich entschlossen hat, sie zu erobern. Helga Mittelberger sieht diese Partnerwahl etwas weniger romantisch. Wenn zu dieser Zeit ein Mann eine gebildete Frau suchte, konnte er nur eine jüdische Frau heiraten.

 

Zu dieser Zeit war Anton Weiß Übungsschullehrer.

 

Für eine Erwachsenentaufe waren die Formulare der katholischen Kirche nicht vorgesehen. Also mußte Pfarrer Gall zuerst noch festhalten, dass von Rebekka und Naftali Rubin "eine Tochter erzeugt wurde" bevor er am 19. November 1885 die bereits 26 Jahre alte Jenny Rubin auf den Namen Maria katholisch taufen konnte.

Es war eine Grundbedingung, damit Jakob Anton Weiß und Jenny Rubin drei Tage später, am 22. November 1885 kirchlich getraut werden konnten.

Mischehen waren zu dieser Zeit nicht ungewöhnlich. Wir können aber sicher sein, daß die ganze Familie Rubin unter Jennys Entscheidung gelitten hat. Später sollten noch zwei ihrer Schwester den gleichen Schritt tun.

 

Obwohl es ein Ausdruck des Assimilationswillens war, bedeutete der Austritt aus der jüdischen Religionsgemeinschaft auch den Verlust von sozialem Rückhalt. Das zeigt sich auch darin, daß es keine Erzählungen über spätere Kontakte zur Familie Rubin gibt.

Josefine von 2 bis 22

Szenen einer Ehe

 

Seit Gott dem Großvater die Großmutter nahm, ist der Großvater noch der ärmste Mann!

 

Diese Karte schickte Anton (Goggo) Weiß nach dem Tod seiner Frau Jenny an die Familie der Tochter Josefine. Das Bild verrät einiges über den Patriarchen, der er mit Sicherheit war. Er sitzt im Mittelpunkt eines Kreises, Jenny ist die Randfigur, ist keine Berührung wert, sie darf ihren Unterarm auf Antons Schenkel legen. Anton präsentiert sich durch aufrechte Haltung und geöffnete Oberschenkel als potenter Häuptling und – bedauert sich selbst.

 

Auch in der Inschrift auf dem Grabsockel verrät Anton seine Haltung Jenny gegenüber. Er wählte einen Satz des Hl. Augustinus, der auch eine klare Vorstellung von der Unterordnung der Frau hatte:

 

"Wie war die Ehre, die ich ihr erwies, irgend zu vergleichen mit dem Magddienst, den sie mir gewährte? Da ich von ihrem Troste verlassen bin, ist mein Leben zerrissen – ein Leben war ja aus dem ihren und dem meinen geworden."

 

Es passt ins Bild, daß Anton weder in der Parte, noch auf dem Sterbebildchen und auch nicht auf dem Grabstein Rubin als Geburtsnamen seiner Frau erwähnt.

 

Zwei illustrierende Anekdoten wurden erzählt:

Anton hatte zu einem Herrenabend eingeladen. Er behandelte seine Frau in einer Art und Weise, dass sie von den Besuchern für seine Haushälterin oder sein Dienstmädchen gehalten wurde. Peinlich, als die Besucher Jenny beim Abschied Trinkgeld in die Hand drücken wollten.

 

Die Enkelin Leni hat sich immer wieder über folgende Episode amüsiert:

Anton war passionierter Biertrinker. Das erforderte gelegentlich, in der Nacht die Blase zu entlasten. Er mühte sich nicht aufs Klo, sondern erleichterte sich, an der Bettkannte sitzend, in den Nachttopf. Eine Bequemlichkeit, die seiner Frau Jenny auf die Nerven ging, sicher auch deshalb, weil sie am Morgen die Pisse entsorgen mußte. Jenny sann auf Abhilfe. Im Vertrauen darauf, dass Anton den Nachttopf schlaftrunken, mechanisch verwenden würde, stellte sie diesen verkehrt ins Nachtkästchen. Bei der nächsten nächtlichen Erleichterung sorgte der Boden des Nachttopfs für eine Verbreitung des "Bieres" auf Antons Füße und den Boden.

Zwar mußte Jenny die Sauerei aufputzen, aber es soll ihr das Vergnügen wert gewesen sein.